Geschwindigkeitsindex Motorrad Reifen: Auch beim Motorrad müssen die Reifenspezifikationen in Hinblick auf Traglast und Geschwindigkeitsfreigabe eingehalten werden. Oftmals ist es aber so, dass viele Motorräder mit einem deutlich überdimensioniertem Speed-Index eingetragen und ausgeliefert werden. Gerade bei Adventure-Bikes und Enduro-Maschinen kommt es in diesem Fall dann zu vielen offenen Fragen, da Offroad-Bereifungen meist einen deutlich niedrigeren Speedindex aufweisen, als Straßenreifen.
In diesem Beitrag gehen wir im Detail auf die geltenden Gesetze ein und verraten je nach Anwendungsfall, wann und wie Reifen mit einem niedrigeren Geschwindigkeitsindex auf dem Motorrad gefahren werden dürfen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Speed-Index / Geschwindigkeitsfreigaben Motorradreifen
- 2 Eintragungen im Fahrzeugschein o. COC-Papier maßgeblich!
- 3 Geschwindigkeitsindex Motorrad Reifen – Das Gesetz
- 4 Ausnahme M+S Reifen beim Motorrad
- 5 10% Regel gültig?
- 6 Fallbeispiele zum Speed Index beim Motorrad
- 7 Geschwindigkeitsindex Motorrad – Kurz und knapp
Speed-Index / Geschwindigkeitsfreigaben Motorradreifen
Die Geschwindigkeitsangabe ist ein alphabetischer Code, der der maximalen Geschwindigkeit eines Reifens entspricht. Die Geschwindigkeitsangabe ist auf den Flanken angegeben. Die Speed-Index-Tabelle ist dabei mit der von Autoreifen identisch. Generell gibt der Geschwindigkeitsindex an, bis zu welcher Geschwindigkeit der Reifen dauerhaft sicher belastet werden kann.
Kennung | Höchstgeschwindigkeit |
---|---|
P | 150 km/h |
Q | 160 km/h |
R | 170 km/h |
S | 180 km/h |
T | 190 km/h |
H | 210 km/h |
V | 240 km/h |
VR | über 210 km/h |
W | 270 km/h |
Y | 300 km/h |
ZR | über 240 km/h |
Eintragungen im Fahrzeugschein o. COC-Papier maßgeblich!
Im Fahrzeugschein sind zwei Werte für die richtige Geschwindigkeitsauswahl von Motorradreifen maßgeblich.
Feld 15.1 und 15.2: Hier findet sich die eingetragene Reifengröße inkl. Geschwindigkeits-Kennung. Generell darf diese nicht unterschritten werden. Sollte Beispielsweise ein Reifen mit der Kennung “W” eingetragen sein, so ist dieser auch vorgeschrieben.*
Feld T: Im Feld T findet sich die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs. Sollte diese zum Beispiel mit 245 km/h angegeben worden sein, so sind nur Reifen zulässig, welche über diesem Wert liegen. Im Beispielfall wären das Reifen mit der Kennung “W”.*
Neben dem Fahrzeugschein sind aber durchaus auch die COC-Papiere ausschlaggebend. So kann es vor allem bei Adventure-Bikes der Fall sein, dass in die COC-Papieren weitere zulässige Reifenoptionen mit einem geringerem Speed-Index eingetragen sind. Sollte dies der Fall sein, so dürfen auch die Reifen, welche gemäß COC-Zulassung gelistet sind, ohne Bedenken legal gefahren werden. Wir raten in diesem Fall aber immer eine Kopie oder eine PDF der COC-Papiere mitzuführen, da diese Reifengrößen ja nicht ersichtlich im Fahrzeugschein eingetragen sind.
*Sonderregelungen siehe weiter unten!
Geschwindigkeitsindex Motorrad Reifen – Das Gesetz
Generell ist die Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugreifen im §36 der StVO geregelt. Der Paragraf 36 besagt dabei:
Maße und Bauart der Reifen von Fahrzeugen müssen den Betriebsbedingungen, besonders der Belastung und der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs, entsprechen.
§36 StVO Absatz 1
Aus rein rechtlicher Sicht wären also alle Reifen zulässig, welche einen höheren Speed-Index als die eingetragene Höchstgeschwindigkeit aufweisen. Trotzdem sind einige der Meinung, dass der eingetragene Speed-Index in keinem Fall unterschritten werden darf. Dazu folgendes Beispiel:
- V-Max 260 km/h – eingetragen sind Reifen mit W –> Es dürfen nur Reifen mit W oder höher gefahren werden!
- V-Max 200 km/h – eingetragen sind Reifen mit W –> Während unserer Recherche haben wir immer wieder festgestellt, dass wohl nur W Reifen (270 km/h) gefahren werden dürfen. Aus unserer Sicht widerspricht das aber dem Gesetzestext, da ja auch Reifen der Klasse V und H (240 bzw. 210 km/h) einen sicheren Betrieb gewährleisten.
Wieder andere Webseiten und Fachartikel berichten von einem “10% Aufschlag”, dazu aber weiter unten mehr…
Ausnahme M+S Reifen beim Motorrad
Eine Ausnahme bilden im §36 die Winterreifen mit dem Snow/Peak Symbol und bei Motorrädern auch mit der M+S (Matsch und Schnee) Kennzeichnung. Mit der 55. Verordnung (2. Juli 2021) zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften im Bundesgesetzblatt hat der Bund den entsprechenden Paragrafen 36 in der Straßenverkehrszulassungsordnung für Zwei-und dreirädrige Fahrzeuge sowie Quads geändert und somit wieder die Unterschreitung der Vmax mit M+S Reifen auf Motorrädern ermöglicht.
Folgende Paragraphen sind dabei ausschlaggebend.
Absatz 5 gilt entsprechend für solche Luftreifen, die die in Nummer 2.29 der Regelung Nummer 75 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) – Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Luftreifen für Krafträder und Mopeds (ABl. L 84 vom 30.3.2011, S. 46) beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S Reifen), sofern diese Luftreifen an Fahrzeugen der Klasse L verwendet werden.
§36 StVO Absatz 11
Bei Verwendung von Reifen im Sinne des Absatzes 4 oder Geländereifen für den gewerblichen Einsatz mit der Kennzeichnung “POR”, deren zulässige Höchstgeschwindigkeit unter der durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs liegt, ist die Anforderung des Absatzes 1 Satz 1 hinsichtlich der Höchstgeschwindigkeit erfüllt, wenn:
§36 StVO Absatz 5
- die für die Reifen zulässige Höchstgeschwindigkeit
- a)für die Dauer der Verwendung der Reifen an dem Fahrzeug durch ein Schild oder einen Aufkleber oder
- b)durch eine Anzeige im Fahrzeug, zumindest rechtzeitig vor Erreichen der für die verwendeten Reifen zulässigen Höchstgeschwindigkeit, im Blickfeld des Fahrzeugführers angegeben oder angezeigt wird und
- diese Geschwindigkeit im Betrieb nicht überschritten wird.
Konkret bedeutet das: Gefahren werden dürfen wieder alle M+S-Reifen unabhängig von deren Geschwindigkeits-Index, solange die Reifen nach der europäischen Norm UN/ECE/R75 zertifiziert sind. Zu beachten ist jedoch, dass bei Fahrzeugen mit EG-Typzulassung die Anforderungen an Reifengröße und Tragfähigkeit erfüllt sein müssen. Für Motorräder mit ABE sind außerdem die Bauart des Reifens und mögliche Fabrikatsbindungen entscheidend. Bei Abweichungen muss die neue Bereifung in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden –> Siehe Ratgeber: Zulassung Motorradreifen
Natürlich darf die Höchstgeschwindigkeit des M+S-Reifens nicht überschritten werden, weshalb ein Aufkleber (oder eine Anzeige) mit Hinweis auf die V-Max des Reifens im Sichtfeld des Fahrers vorgeschrieben ist.
10% Regel gültig?
Während unserer Recherche zum Thema haben wir auch einen Beitrag von Motorradonline gefunden, welcher besagt, dass Reifen gefahren werden dürfen, die folgende Anforderungen erfüllen:
Ein Reifen muss für die in den Fahrzeugpapieren eingetragene Höchstgeschwindigkeit + 10 % geeignet sein.
Ein Motorrad, das laut Fahrzeugpapieren 185 km/h erreichen kann, braucht also Reifen mit dem Geschwindigkeitsindex H oder höher (185 x 1,1 = 203,5).
Leider konnten wir diese Aussage weder im Gesetzestext von §36 verifizieren, noch sonst irgendwo Infos dazu finden. Nach strenger Auslegung von §36 sollte diese Faustregel aus unserer Sicht allerdings Gesetzeskonform sein.
Fallbeispiele zum Speed Index beim Motorrad
Folgende Fallbeispiele sollten einen kurzen und praxisnahen Überblick über die zulässige Höchstgeschwindigkeit von Motorradreifen bieten.
Supersportmaschine mit W-Reifen eingetragen
Auf einer Supersportmaschine mit einer Top-Speed von 260 km/h sind W-Reifen eingetragen. Diese Vorgabe muss ausnahmslos erfüllt werden, sofern die Reifen nicht über eine M+S Kennung verfügen.
Adventure-Bike mit abweichenden Reifen in COC-Paieren
Wenn in den COC-Fahrzeugpapieren abweichende Bereifungsoptionen eingetragen sind, können diese auch gemäß der EU-Verordnung gefahren werden.
Fahrzeug mit hoher Endgeschwindigkeit bei Nutzung von M+S Reifen
M+S Reifen dürfen gemäß §36 Absatz 5 und Absatz 11 an allen Fahrzeugen der Klasse L (darunter fallen die meisten Zweiräder und Quads) auch mit einem niedrigerem Speed-Index gefahren werden. Es darf auch die eingetragene Höchstgeschwindigkeit unterschritten werden, sofern ein Hinweisschild im Sichtbereich des Fahrer an die reduzierte Endgeschwindigkeit erinnert und diese im Betrieb NICHT überschritten wird.

Geschwindigkeitsindex Motorrad – Kurz und knapp
Anbei haben wir den Artikel übersichtlich und knapp zusammengefasst.
Höher geht immer
Einen Reifen mit einem höherwertigerem Speed-Index als eingetragen zu fahren, ist immer unproblematisch und ausnahmslos möglich.
COC-Papiere prüfen
In den COC-Papieren können bei Adventure-Bikes auch andere Reifenoptionen mit niedrigerem Speed-Index gelistet sein. Diese können dann ebenfalls bedenkenlos gefahren werden.
M+S Bereifung fahren
Reifen mit einer M+S Kennzeichnung (Matsch und Schnee) fallen gesetzlich gesehen auch beim Motorrad unter eine Sonderregelung, welche es erlaubt unter Einhaltung der zulässigen Maximalgeschwindigkeit diese auf dem Motorrad zu fahren (siehe oben).
Fragwürdige +10% Regel
Auch nach intensiver Recherche können wir die 10% Regel nicht einwandfrei bestätigen. Generell macht diese durchaus Sinn und auch der Gesetzestext gibt Anlass dazu, dass diese legitim ist. Trotzdem könnten das einige Ordnungshüter oder TÜV-Prüfer anders sehen.
Fazit: Supersport- und Naked-Bike-Fahrer kommen nur selten in Kontakt mit Problemen rund um den Speed-Index. Die entsprechenden Straßenreifen sind so gut wie immer mit der eingetragenen Klasse “W” deklariert und können somit bedenkenlos gefahren werden. Problematischer ist die Angelegenheit oftmals für Fahrer von Adventure-Bikes, Scramblern und Reiseenduros. Gerade leistungsstarke Maschinen weißen oftmals eine deutlich höhere eingetragene Endgeschwindigkeit auf, als viele Adventure- und Offroad-Reifen. Hier ist jeder Fall dann individuell zu prüfen und gemäß den gesetzlichen Bestimmungen umzusetzen. Am besten fährt man aber mit einem M+S Reifen.
Quellenangaben: ADAC / Justiz NRW / Bußgeldkatalog Fahrzeugklasse L / Bundesanzeiger / Tourenfahrer / Motorradonline
Hinweis: Alle Informationen und Angaben wurden gründlich recherchiert, sind jedoch ohne Gewähr. Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung – Im Zweifel ist den Anweisungen von amtlich anerkannten Sachverständigen zu folgen!