In diesem Ratgeber widmen wir uns dem Thema Motorradreifen einfahren. Vor allem die ersten Kilometer mit neuen Reifen sind mit besonderer Vorsicht zu genießen, es gibt etliche Horror-Geschichten von Fahrern, die werksneue Motorräder oder ihr Fahrzeug nach dem Reifenwechsel umgehend gelegt haben. Warum es wichtig ist neue Motorradreifen einzufahren und wie das am besten gelingt, verraten wir hier in diesem Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
Warum neue Motorradreifen einfahren?
Jeder Reifen muss durch das Einfahren erst „gebrochen“ werden. Montiert man nämlich einen brandneuen Reifen, so ist die Oberflächenstruktur noch geschlossen und glatt. Kurzum gesagt bedeutet dies, dass der Reifen noch etwas rutschig ist. Gehst du mit einem neuen Reifen nun ans Limit, so kann der Reifen keinen mechanischen Grip aufbauen und „verzahnt“ sich nicht ausreichend mit dem Asphalt. Es ist also wichtig, den Reifen „anzufahren“ und somit die glatte Reifen-Oberfläche aufzubrechen.
Auf diese Weise wird das Gummi offenporig und auf Mikroebene griffig. Dies führt zu einer höheren Auflagefläche im Mikrobereich, die sich bildlich gesprochen mit dem Asphalt verzahnt.
Ist der Reifen eingefahren, so erkennst du dies an einer rauen Oberfläche (sogenannter Konditionierungseffekt). Diese entsteht beim Kontakt mit dem Asphalt und durch die Temperatur beim Fahren. Genau diese raue Oberfläche ist wünschenswert, denn diese liefert den Grip und somit die Fahreigenschaften, für die der Reifen auch steht.
Zum größten Teil geht es beim Motorradreifen einfahren also um die Erzeugung des mechanischen Grips, welcher sich nur bei einem offenporigen Gummi einstellt.
Hier zwei Bilder aus der Praxis, die einen fabrikneuen Reifen mit der glatten Oberflächenstruktur und einen gut angefahrenen Reifen mit Konditionierungseffekt zeigen.
Und das altbekannte Trennmittel auf den Motorradreifen!?
Es ist richtig, das in vergangenen Zeiten oftmals das rutschige Trennmittel für reihenweise Stürze mit neuen Reifen gesorgt hat. Diese Zeiten sind aber zum Glück lange vorbei. Mit der Weiterentwicklung der Technik in der Reifenindustrie haben moderne Trennmethoden Einzug gehalten. Reifen werden heutzutage von so gut wie jedem Hersteller OHNE schmieriges Trennmittel aus den Formen getrennt. Dabei kommen modernste Teflon-Beschichtungen in den Formen zum Einsatz, welche das Austrennen von Motorradreifen ermöglichen ohne Zusätze auf den Reifen aufbringen zu müssen.
Auf Nachfrage haben wir von vielen großen Reifenherstellern die Bestätigung erhalten, das zumindest bei den sportlichen Straßenreifen keinerlei rutschigen Trennmittel mehr zum Einsatz kommen. Continental wirbt bei einigen Produkten sogar mit der hauseigenen Traction Skin Technologie, welche eine extrem kurze Einfahrzeit ermöglicht. Realisiert wird dies durch den Verzicht auf Trennmittel UND! eine bereits aufgeraute Reifenoberfläche mit Konditionierungseffekt. Die Vorkonditionierung kommt vor allem bei den Sportmodellen der ContiAttack-Serie zum Einsatz, einer der populärsten Ableger ist der ContiAttack SM Evo.
Anbei ein Auszug aus der Produktbeschreibung von Continental:
TractionSkin sorgt für eine extrem sichere und kurze Einfahrzeit. Möglich machen dies die revolutionäre aufgeraute Reifenoberfläche und der Verzicht auf Trennmittel durch die speziell beschichtete Reifenform.
Continental-Reifen.de
Zum Thema Trennmittel auf Motorradreifen sind folgende Fakten zusammenzufassen:
- Rutschige Trennmittel werden von namhaften Herstellern und bei hochwertigen Reifen so gut wie nicht mehr eingesetzt.
- Einige Hersteller versprechen kurze Einfahrzeiten durch die zusätzliche Bearbeitung der Reifenoberfläche. Dies schafft ein offenporiges Reifenbild, welches sich mit dem Asphalt besser bzw. schneller verzahnen kann.
Neues Reifenmodell, neues Fahrgefühl
Doch nicht nur die Reifenoberfläche nimmt Einfluss auf die Einfahrzeit von Motorradreifen. Jedes Reifenmodell ist nämlich unterschiedlich und überrascht gegebenenfalls mit einem komplett anderem Fahrgefühl. So hat der alte Reifen zum Beispiel nur widerwillig eingelenkt und das neue Modell fällt förmlich in die Kurven. Gleiches gilt beim Herausbeschleunigen. Während der alte Hypersport-Reifen massig Grip in allen Schräglagen bot, bietet der neue Touringreifen deutlich weniger Gripniveau und neigt zum Schmieren.
Auch die Fahreigenschaften bei Nässe und Regen sind in der Regel je nach Reifenmodell und Hersteller sehr unterschiedlich und benötigen eine Eingewöhnungszeit seitens des Fahrers. Beim Motorradreifen Einfahren machst du dich somit auch mit den neuen Handling-Eigenschaften deines Reifen vertraut, bevor du langsam die Grenzen immer weiter auslotest.
Wie lange Motorradreifen einfahren?
Es gibt keinen Richtwert, wie lange man einen Motorradreifen einfahren muss, denn es hängt immer vom jeweiligen Modell und der Fahrweise ab. So sind weiche Sportreifen binnen weniger Kilometer eingefahren (z.B. Michelin Power 6 oder ContiAttack SM Evo), Racetrack-Slicks und profilierte Rennreifen sogar in wenigen Kurven bzw. einer Runde (z.B. Pirelli Supercorsa). Ein Tourenreifen hingegen ist etwas härter, daher benötigt dieser meistens auch länger bis er eingefahren ist und genügend mechanischen Grip erzeugen kann. In seltenen Fällen kann der Prozess der Konditionierung auch gerne einmal 100-200 Kilometer dauern.
Bitte bedenke aber auch, dass die Reifenflanken am schwierigsten einzufahren sind. Oftmals sind die regulären Laufflächen schnell einsatzbereit, während die äußerten Reifenflanken noch glattes Gummi und wenig Grip aufweisen. Im besten Fall gehst du also zum Motorradreifen einfahren unter Idealbedingungen auf die Hausstrecke und näherst dich Schritt für Schritt an höhere Schräglagen an, um den Reifen auch an den Flanken gemächlich anzufahren.
Motorradreifen einfahren Dauer:
- Sport- & sportliche Straßenreifen: 25-50km
- Rennreifen: 1 Runde
- Touringreifen: bis zu 100km (selten auch länger)
Neue Motorradreifen einfahren – So gehts
Wenn du nur geradeaus fährst, wird der Reifen auch nur auf der Lauffläche eingefahren. Es ist daher ratsam sich eine kurvige und vor allem bekannte Strecke zu suchen. So kannst du auch die Flanken des Reifens einfahren und dich in dir bekanntem Terrain langsam steigern. Das Einfahren sollte stets behutsam erfolgen. Übertreibe es nicht, denn gerade in Schräglage kann sich fehlender mechanischer Grip negativ auswirken und wird schnell mit einem Rutscher bestraft.
Fahrer modernerer Fahrzeuge, die über eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle und Kurven-ABS verfügen, sind hier ein wenig im Vorteil. Das zusätzliche Sicherheitsnetz kann beim Einfahren mehr Vertrauen schaffen und in brenzligen Situationen oftmals gefährliche Situationen entschärfen. Trotzdem sollte man sich beim Motorradreifen Einfahren niemals einzig und allein auf die Elektronik verlassen!
Motorradreifen einfahren Schmirgelpapier!?
Immer wieder ließt man im Internet und Foren, dass man einen Motorradreifen durch abschleifen mit Schmirgelpapier „einfahren“ kann. Das mag auch erstmal logisch und simpel klingen, ist aber absoluter Unfug. So reibt man mit einem Schleifpapier über den glatten Reifen und bekommt so eine aufgeraute Reifenoberfläche. Ziel ist es beim „Motorradreifen einfahren mit Schmirgelpapier“ das angebliche Trennmittel vom Reifen zu scheuern. In der Welt der Mythen ist der Reifen dann sofort eingefahren und bringt den vollen Grip.
Aus rein technischer Sicht, ist dies jedoch totaler Quatsch! Dieser Mythos stammt aus der Zeit, als in der Reifenproduktion noch Trennmittel verwendet wurden, welche einen Schmierfilm auf dem Reifen hinterließen. Jeder große Hightech-Reifenhersteller setzt diese Trennmittel bei Motorradreifen inzwischen nicht mehr ein. Eine Rutschgefahr durch Chemikalien auf dem Gummi ist also nicht mehr gegeben.
Viel mehr geht es um die Porigkeit der Reifenoberfläche. Stelle dir den Reifen und den Asphalt wie viele kleine Mikrozahnräder vor. Ein nicht eingefahrener Reifen hat noch eine geschlossene Gummistruktur. Dadurch entsteht der verminderte Grip. Erst mit dem Fahren öffnet sich das Gummi (auch durch die entstehende Wärme) und „verzahnt“ sich mit den Poren im Asphalt. Bei einem neuen Reifen ist die Griffigkeit also noch nicht so ausgeprägt wie bei einem eingefahrenen Reifen. Das bedeutet aber nicht, dass er überhaupt keinen Grip bietet!
Auf keinen Fall sollten man den Reifen abschleifen, denn im schlimmsten Fall zerstört man diesen dadurch. Außerdem bringt das Anschleifen keinerlei Vorteile, da auf diese Weise in keinem Fall die natürliche Öffnung der Lauffläche und somit die „Verzahnung“ mit dem Asphalt erreicht werden kann. Wir raten daher dringend vom Schmirgeln der Motorradreifen ab! Außerdem gibt es KEINEN Reifenhersteller, der die Methode des Abschmirgelns nach der Montage empfiehlt, um ein besseres oder sichereres Einfahren zu gewährleisten.
Deine Meinung ist gefragt! Wie ernst nimmst du das Reifen Einfahren beim Motorrad? Hast du bereits negative Erfahrungen mit neuen Reifen machen müssen? Hinterlasse uns gerne ein Kommentar zum Thema!
7 Kommentare
Reifen anschmirgeln ist kein Quatsch und allemal sicherer als in einzufahren! Der Hersteller macht absichtlich eine dünne Schutzschicht um den Reifen, damit er nicht so schnell im Lager altert. Diese Schutzschicht hat deutlich weniger Haftreibung als das nackte Gummi.
Man kann diese Schicht doch gar nicht „vorsichtig“ auf dem maximalen Neigungswinkel „einfahren“. In einer solchen engen Kurve möchte ich zumindestn nicht auf einer Schutzschicht rumfahren, die dem Hersteller ein paar Euro sparen soll.
Das einzig sichere ist eben genau diese Schutzschicht ab zu schmirgeln.
Lieber Marius,
leider müssen wir dich hier enttäuschen. Das Anschmirgeln ist absolut überflüssig und erzeugt in keinem Fall die Verzahnungs-Eigenschaften / Konditionierungseffekte, welche beim Einfahren entstehen. Außerdem verwenden viele große Hersteller heutzutage KEINE rutschigen Trennmittel mehr, welche ein Abschleifen rechtfertigen könnten…
Generell darf aber jeder machen, was er möchte. Wenn du dich mit dem Anschmirgeln sicherer fühlst, wieso denn auch nicht.
Liebe Grüße,
Das Bikereifen24.de-Team
Das mit dem Aufrauen haben wir früher auch gemacht (eigentlich auch nur, wenn klar war, die erste Fahrt findet im Regen statt), aber ehrlich gesagt, kriegt der Reifen schon auf dem ersten km mehr „Schliff“ als mit stundenlanger Schmirglerei. Die neuen Reifen haben im Neuzustand schon genug Grip, um StVO-konform zu fahren, und wenn man nicht gerade auf der letzten Rille durch einen Kreisverkehr eilt, wird das Einfahren ganz automatisch auf den ersten paar km erledigt sein. Die kann man nutzen, um sich an das veränderte Fahrgefühl zu gewöhnen, das neue Reifen so mit sich bringen.
Könnte es ratsam sein, zum Einfahren etwas wenidger Reifendruck zu verwenden, damit der Reifen mehr arbeiten muss ?!
Nein das ist nicht ratsam. Der genaue Reifendruck spielt eine wichtige Rolle. Die Reifen heutzutage sind schnell eingefahren.
Einfach fahren, jedoch die Schräglage nur langsam steigern. Umso aggressiver ich dabei mit Gas und Bremse umgehe, umso schneller ist der Reifen betriebsbereit.
Hi,
danke für dein Kommentar! Einfach fahren klingt gut und ist auch die Methode wie man es machen sollte. Auch das mit der Schräglage trifft den Nagel auf den Kopf. Von daher alles richtig gemacht 🙂 Wir wünschen immer eine gute Fahrt!